«Das grosse Los gezogen»

Berner Zeitung BZ, 17.06.08


Zum letzten Mal ziehen heute die Holländer durch Berns Strassen. Im Nordquartier ziehen viele Betriebe eine positive Bilanz. «Die Basler dürfen sich auf die Holland-Fans freuen», sagt etwa Jean-Marc Schärer vom Restaurant Spitz.




Christiaan Maarsen in seinem Blumengeschäft an der Moserstrasse. / Susanne Keller

Die orangen Karawanen, die an die beiden bisherigen Euro-Spielen durchs Nordquartier Richtung Stadion gezogen sind, haben Christiaan Maarsen mehr als begeistert. «Diese Riesenfreude der holländischen Fans ist einfach grandios», erzählt der Inhaber des gleichnamigen Blumenladens an der Moserstrasse. Dafür beherbergt er an den Spieltagen dreissig Heidis. Das sind Frauen aus dem Quartier, die sich mit rot-weiss karierten Blusen und Zöpfen den Heidi-Look zugelegt haben. Ein ganzes Schaufenster hat er ihnen als Lagerraum zur Verfügung gestellt. Wo am gestrigen verregneten Tag noch leere Regale standen, füllen heute wieder Bierharasse den Raum. Das Fenster ist zugeklebt mit einem riesigen Poster von Berg und Wald – mit schönem Wetter, versteht sich. Die Heidis verkaufen Bier und Raclette. Nicht nur: «Sie haben an den beiden bisherigen Tagen auch Songs aus dem Heidi-Musical gesungen», berichtet Maarsen weiter. Mal französische, mal holländische Fans stellten sich zwischen die Heidis und liessen sich mit ihnen fotografieren.


Umsatz eingebrochen

Maarsens Enthusiasmus ist nicht zu überhören. Da mögen auch zwei Herzen in seiner Brust schlagen, denn Maarsen ist gebürtiger Holländer, lebt seit 1971 in der Schweiz und hat nun mit den Oranje-Fans und den Heidis quasi die ideale Symbiose vor der Tür.

Das Fest sei zwar genial, der Umsatz dagegen «katastrophal» gewesen. An den beiden bisherigen Spieltagen hat Maarsen gerade mal ein Drittel des Normalumsatzes gemacht. «Doch an solchen Tagen herrscht einfach der Ausnahmezustand», schliesst er.


«Holländer sind genial»

Etwas weiter vorne kommt Monika Brazerol, die Besitzerin der Apéro-Bar Linea 9, ins Schwärmen: «Schlichtweg genial» sei der Holländer-Umzug gewesen. Aus sechs Hahnen haben sie und ihre Mitarbeiterinnen Bier und Mineral gezapft. «Schon beim ersten Spiel lief das Geschäft gut. Am Freitag, bei der Partie Holland - Frankreich, ging dann richtig die Post ab», erzählt sie. Laut und überdreht seien die Oranje-Fans zwar gewesen, «aber erstaunlich ordentlich».

Kein Verständnis hat sie allerdings dafür, dass die Gastbetriebe strenge Auflagen bezüglich Preisen und Geschirr zu erfüllen hatten, während die Grossverteiler im Quartier ihre Getränke in Aludosen oder PET-Flaschen verkaufen durften.


Ärger über Grossverteiler

Das hat auch Georges Bouharb, den Inhaber des Restaurants Adonis, gestört. «Wir bezahlen fürs Mehrweggeschirr und müssen uns an die Preisvorgaben halten, und fünfzig Meter weiter vorne wird Bier aus Dosen für Fr. 1.55 verkauft. Das ärgert mich.» Sein Fazit der beiden bisherigen Holland-Umzüge ist dennoch positiv: «Wir haben an den beiden Spieltagen deutlich mehr Getränke verkauft.» Auch er hat die Holländer als «festfreudiges, anständiges Volk kennen gelernt». Die Fans seien zudem offen für Neues: «Unser Fladenbrot mit libanesischem Oregano lief zum Beispiel sehr gut.» Die Ausgaben für den Beamer, der alle Spiele auf eine Leinwand projiziert, hätten sich auf jeden Fall gelohnt.

Jean-Marc Schärer vom Restaurant Spitz hat sein Personal mit Schweizer Trikots ausgestattet. Auch er lobt die Holländer: «Ein Supervolk!» Als er am Wochenende gesehen habe, dass in Klagenfurt gähnende Leere herrschte, sei ihm erneut bewusst geworden, dass Bern «das grosse Los gezogen hat». In Basel, wo die Holländer ihr Viertelfinale austragen, dürften sich die Gastwirte schon jetzt freuen.


«Es war wie ein Cupfinal»

Etwas weniger euphorisch ist Domenico Cafiero, Geschäftsführer im Grotto Ticino. In seinem Restaurant habe es keinen Riesenansturm gegeben, berichtet er. Allerdings habe er auch keine besonderen Anstrengungen unternommen: «Wir haben eine treue Stammkundschaft, deswegen wollten wir unser Konzept nicht einfach auf den Kopf stellen wegen dreier Spieltage.» So habe er bewusst darauf verzichtet, einen Grossbildschirm hinzustellen.

Martin Spycher schliesslich, Wirt im Restaurant Tramway, hat sich zwar über die zusätzlichen Einnahmen durch die vielen Holland-Fans gefreut. «Aber eigentlich lief das Geschäft für mich nicht viel besser, als wenn Cupfinal ist. Nur halt mit dem Unterschied, dass ich am Pfingstmontag der Einzige bin, der geöffnet hat.»

 

Martin Arn, Hannah Einhaus [17.06.08]

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